=====================
== DivinelyDiverse ==
=====================
Glaube. Hoffnung. Queerness.

Geht das zusammen?

Christentum und queer sein - geht das zusammen? Im Zuge meines Outings als nonbinär wurde mir diese Frage von verschiedenen Personen gestellt. Schon die Frage selber zeigt: Manchen Menschen fällt es schwer, Queerness und Christentum, Queerness und Kirche, Queerness und Glauben zusammenzudenken.

Vor dem Hintergrund, dass das institutionalisierte Christentum in Form der Kirchen über Jahrhunderte hinweg und in sehr vielen Fällen bis in die heutige Zeit hinein Queerfeindlichkeit (wie auch Misogynie, Rassismus etc.) im Programm hatte bzw. hat und viele Regeln und Normen aufstellte, wie das Leben von Einzelpersonen und die Gesellschaft zu sein hat, ist klar, dass es meist nicht als Hort von Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung wahrgenommen wird. Bedauerlich ist es trotzdem - denn die Ursprünge des Christentums hätten eine ganz andere Entwicklung zugelassen.

Werfen wir einen Blick auf Jesus von Nazareth, so zeigt sich uns das Bild eines idealistischen Wanderpredigers, der sich nicht mit dem Status Quo der Gesellschaft der damaligen Zeit abgefunden hat. Ungleichheit und Ungerechtigkeit bereiteten ihm Schmerzen, und er begann, Menschen, die am Rand der Gesellschaft lebten oder von ihr geächtet wurden, um sich zu scharen - Arme, Kranke, Prostituierte, Zöllner, Frauen, Kinder. Er entwickelte die Vision einer Gesellschaft, in der nicht nur erwachsene Männer als richtige Menschen gelten, sondern alle Menschen gleichwertig dazugehören - und er lebte dies auch. Die Geschichten der Evangelien erzähen davon, dass gerade den marginalisierten Menschen eine besondere Bedeutung in seiner Vorstellung einer neuen, göttlichen Gesellschaftsordnung zukommen soll. Dass das institutionalisierte Christentum später eine Religion der Mächtigen geworden ist sowie Macht und Herrschaft sogar noch legitimiert hat, ist letztendlich also eine Pervertierung der ursprünglichen Bewegung rund um Jesus von Nazareth.

Nun wird jedoch immer wieder argumentiert, die Bibel sage, es gebe nur zwei Geschlechter, Homosexualität sei Sünde etc. Abgesehen davon, dass viele dieser Argumente einer sorgfältigen Textauslegung nicht stand halten, halte ich es für grundsätzlich falsch, mit einzelnen biblischen Zitaten zu argumentieren - weder für noch gegen Queerness. Christlicher Glaube hat nicht die Bibel als Zentrum, sondern eine Person - Jesus von Nazareth. Und wie diese Person ihren marginalisierten Mitmenschen begegnet ist - mit Liebe, Sorge, Fürsorge, Inklusion -, daran misst sich, was sich christlich nennen will, egal ob christlicher Mensch, christliche Kirche oder eine christliche Gesellschaft. Marginalisierte Menschen sind die DNA des Christentums, und dazu gehören auch queere Menschen.