Das (grammatikalische) Geschlecht Gottes
“Aber Gott ist doch keine Frau!”, haben mir schon mehrfach Menschen mehr oder weniger empört gesagt, nachdem ich in einem Gottesdienst wieder mal weibliche Pronomen für Gott verwendet und Gott als sie bezeichnet habe. Nun ja - ich glaube ja auch nicht, dass Gott eine Frau ist, bloss: Weshalb bleibt die entsprechende Empörung gänzlich aus, wenn ich von Gott als einem er rede? Eigentlich müsste das die gleiche Reaktion mit umgekehrten Vorzeichen auslösen - denn ich habe noch kaum eine Person getroffen, die ernsthaft behauptet, Gott sei ein Mann.
Dass eine solche Reaktion bei der Verwendung von männlichen Pronomen für Gott ausbleibt, liegt daran, dass die deutsche Spache jedem Substantiv ein grammatikalisches Geschlecht zuordnet, und das grammatikalische Geschlecht des Wortes Gott ist nun mal männlich. Insofern ist die Verwendung von Pronomen wie er, ihn, ihm für Gott eigentlich völlig korrekt und sagt in keiner Weise etwas über ein allfälliges Geschlecht von Gott aus. Es würde ja auch niemand sagen, eine Lawine sei weiblich oder ein Sturm männlich, bloss weil das grammatikalische Geschlecht dies suggerieren könnte.
Doch ganz so einfach wie bei einer Lawine oder einem Sturm ist es bei Gott dann eben doch nicht. Viele Christinnen stellen sich Gott nach wie vor als eine Person vor. Nun haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass die Vorstellungen, die wir uns von einer Person machen, ganz wesentlich vom grammatikalischen Geschlecht des Begriffs, den wir benutzen, beeinflusst wird. Untersucht worden ist dies vor allem im Kontext der Verwendung des genereischen Maskulinums. Wird beispielsweise von Ärzten gesprochen, stellt man sich meist zunächst männliche Personen vor, wohingegen der Begriff Ärztinnen die Vorstellung einer aus verschiedenen Geschlechtern zusammengesetzen Gruppe hervorruft.
Dass wir von Gott als einem er reden, ruft also praktisch unweigerlich männlich geprägte Gottesvorstellungen hervor. Insofern ergibt es Sinn, zwischendurch Gott auch mal als eine sie zu bezeichnen, um gängige Vorstellungen aufzubrechen. Oft verzichte ich beim Reden über Gott auch ganz auf Pronomen und wiederhole an deren Stelle das Wort Gott. Dies geschlechtsneutrale Sprache kommt meiner Vorstellung von Gott am nächsten - viel mehr als eine Person ist Gott für mich eine Wirkkraft, die uns im Leben stärkt und uns zur Liebe befähigt.
Wenn wir als Christ*innen die Überzeugung ausdrücken, wir Menschen seien nach dem Bild von Gott geschaffen, so müssen sich in Gott auch Menschen aller Geschlechter wiederfinden können. Der wichtigste Schritt dazu ist, dass wir eine sorgfältige und geschlechtersensible Sprache verwenden, wenn wir von Gott reden. Gleichzeitig ist dies auch ein wichtiger Schritt hin zu einer Kirche, in der sich Menschen aller Geschlechter willkommen fühlen.