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Glaube. Hoffnung. Queerness.

Queere Theologie - wozu?

Wenn ich davon erzähle, dass ich mich in meinem Weiterbildungsurlaub mit Queerer Theologie beschäftige, fallen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus. Von “wow, so spannend!” bis hin zu “braucht’s jetzt das wirklich auch noch?” ist alles dabei.

Ja, braucht wirklich jede Gruppierung auch ihre eigene Theologie? Diese Frage wurde schon vor gut fünfzig Jahren genau gleich im Zusammenhang mit dem Erstarken der Feministischen Theologie gestellt, und sie wird immer dann gestellt, wenn angeblich neue theologische Strömungen einen Platz für sich beanspruchen.

Dass neue Theologien mit ungewohntem Blickwinkel und Fokus entstehen, ist in der Art begründet, wie bisher Theologie betrieben worden ist. Noch zu meiner Studienzeit in den Jahren 1997 bis 2004 war die Theologie, die uns gelehrt wurde, zu mehr als neunzig Prozent Theologie, die von weissen westeuropäischen cis Männern entwickelt worden war. Uns Theologiestudent*innen wurde - zumindest zwischen den Zeilen - vermittelt, dass das die richtige Theologie sei, an der sich alles zu messen habe. Natürlich war auch diese Theologie nicht homogen, es gab auch darin gewisse Kontroversen. Aber es waren eben die Kontroversen zwischen den eben erwähnten Männern. Perspektiven von Frauen, POCs, behinderten Menschen oder Queers flossen nicht mit ein. Im besten Fall redete man(n) über sie, aber nicht mit ihnen - geschweige denn hörte man(n) ihnen zu. Sprich: Wie es in vielen Bereichen der Gesellschaft der Fall ist, wurden und werden auch in der Theologie ganz viele Menschen oft schlicht nicht mitgedacht; weder fliessen ihre Lebensrealitäten und Perspektiven in Debatten ein, noch wird auf ihre spezifischen Bedürfnisse Rücksicht genommen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur verständlich, dass neue theologische Schwerpunkte entstehen - es ist geradezu notwendig, wenn wir eine Gesellschaft anstreben, in der alle Menschen gleichberechtigt Platz haben.

Oft wird solchen sogenannten “neuen” Theologien vorgeworfen, sie seien nicht objektiv, da ihr Blick durch eine ganz bestimmte Brille erfolge: eine queere Brille, eine feministische Brille, … Und ja klar, natürlich ist das so. Eine theologische Haltung entsteht immer durch die Brille der eigenen Lebenswirklichkeit, nur schon der Blick auf die biblischen Texte erfolgt durch diese Brille. Insofern sind diese “neuen” Theologien vielleicht sogar ehrlicher als die als “normal” oder “allgemein” angesehene Theologien, denn jene deklarieren zu keinem Zeitpunkt, durch welche Brille ihr Blick erfolgt: Meist durch eine weisse, westeuropäische, männliche und cisheteronormative Brille.

Solange es keine Theologie gibt, die alle Menschen mitdenkt, braucht es verschiedene Theologien. Daneben, dass ich eine solche allumfassende Theologie gar nicht für möglich halte, weil kein Mensch die allumfassende Lebenserfahrung mitbringt, die dazu notwendig wäre, bin ich mir auch nicht sicher, ob dies überhaupt erstrebenswert wäre. Viel spannender ist es doch, verschiedene theologische Ansichten miteinander in ein Gespräch zu bringen, um so voneinander zu lernen und miteinander zu wachsen.